Akku 2.0 – Kapitel 18
Kapitel 18 – die geheimnisvolle Mutter
Jan sah Suzan an „Was meint er damit, dass ich Dich zu Deiner Mutter bringen soll? Ich dachte, die kann nicht aus China heraus?“
Suzan antwortete „Das bedeutet ja nicht, dass wir nicht nach China hinein können.“
Jan war verwirrt „Was ist mit Deiner Mutter? Wieso kann sie nicht aus China heraus? Ist sie eine Systemkritikerin? Hat sie Reiseverbot?“
Suzan verzog das Gesicht „Nein, im Gegenteil, sie ist eine führende Funktionärin in der Partei!“
„Das verstehe ich nicht.“
Suzan versuchte zu erklären „Die Beziehung zwischen meinen Eltern war streng verboten. Als meine Mutter schwanger wurde, hatten sie ein großes Problem. Erich drängte darauf, dass sie mit ihm das Land verlassen sollte, doch sie wollte es nicht. Sie liebte China. Irgendwann lief seine Aufenthaltsgenehmigung ab. Er war nur befristet an einer Uni angestellt und musste das Land verlassen. Die Verbindung zu Gracia Wong, so heißt meine Mutter, durfte ja nicht bekannt werden. Nicht nur ihre Karriere, sondern ihr gesamtes Leben wäre zerstört worden. In ihrer Stellung eine Beziehung zu einem Ausländer war Hochverrat. Sie beschlossen, dass ein schwuler Freund die Vaterschaft übernehmen sollte“ Jan unterbrach „warum musste der Freund schwul sein?“
„Jede Familie durfte zu der Zeit nur ein Kind haben, bei diesem Freund konnten wir sicher sein, dass er keine eigenen Kinder wollte. Und sie mussten heiraten. Meine Mutter liebte aber meinen Vater so sehr, dass sie keine Beziehung zu einem anderen Mann eingehen konnte. Gleichgeschlechtliche Neigungen waren streng verboten und wurden mit Arbeitslager und noch schlimmerem bestraft. Durch die Heirat hatten beide einen Vorteil. Meine Mutter hatte einen offiziellen Vater für ihr Kind und der Freund hatte offiziell eine Familie. Sie waren sicher, dass er sie niemals verraten würde, denn er war ein hochdekorierter Offizier in der Armee. Wäre alles herausgekommen, dann hätte ihm die Todesstrafe gedroht.“
„Du sprichst in der Vergangenheitsform, was ist passiert?“
Suzan schaute Jan traurig an „kurz nach der Hochzeit und noch vor meiner Geburt, kam er bei einem Einsatz zur Katastrophenhilfe ums Leben, als sein Helikopter abgestürzt ist. Für meine Mutter war das ein Problem, denn als alleinerziehende Mutter hätte sie ihren Posten verloren. Meine Eltern fassten daher einen riskanten Entschluss. Ich wurde bei der Geburt für Tot erklärt. Niemand fragte genauer danach, denn Mädchen galten in China zu der Zeit nicht viel. Mit ein paar eingeweihten Helfern schmuggelte mein Vater mich aus dem Land heraus, er riskierte dabei Kopf und Kragen.
Mittlerweile hat sich die Lage dort deutlich verbessert. Erich will mit mir wieder nach China, ganz offiziell. Sie sind sich sicher, dass meine Mutter Amnestie bekommen würde, denn mittlerweile ist sie in der Partei zu weit oben und mit dem Akku würden sie ihn sicher mit offenen Armen empfangen“
Jan schaute sie erschrocken an „Deswegen will er den Akku unbedingt nach China bringen? Als Gegenleistung für Deine Mutter? Ich dachte, er will den Speicher der ganzen Welt zur Verfügung stellen?“
Suzan beruhigte ihn „Natürlich. Das wird auch geschehen. Wir werden die Technik nur Schrittweise zur Verfügung stellen, damit haben wir die Kontrolle. Der Akku soll der Menschheit dienen und nicht der chinesischen Partei. Du kannst Erich da vollkommen vertrauen.“
Jan überlegte „Das heißt, Du hast Deine Mutter noch nie gesehen?“
Suzan schüttelte den Kopf und Tränen liefen ihr über die Wangen. „Nein, seit 26 Jahren kenne ich sie nur von Fotos. Wir können weder telefonieren, noch Mails schreiben, denn alles wird dort streng überwacht. Nur wenn wir persönlich in China auftauchen, habe ich eine Chance, sie kennenzulernen. Und deswegen hat mein Dad Dich gebeten, mich dort hinzubringen, falls ihm etwas zustößt. Alleine schaffe ich das nicht.“
Jan verstand, er versuchte Suzan zu trösten, doch er spürte, wie ihr Körper durch Weinkrämpfe geschüttelt wurden. Die Mutter in der Fremde, der Anschlag heute, die ungewisse Zukunft. Das war alles sehr hart. Jan versprach Suzan, immer an ihrer Seite zu sein und sie nie zu verlassen.