Weltretter-Freitag

Weltretter-Freitag

Es ist 9 Uhr am Morgen, 6.12.2019, Nikolaus-Freitag. Ich sitze am Schreibtisch und gerade habe ich darüber nachgedacht, ob die Kinder heute bei -5 °C wieder die Welt retten werden?
Mir wäre das zu kalt, Fellmützen darf man ja wegen den Tieren nicht mehr und Multifunktions-Klamotten aus Kunstfasern, das darf nur Greta.

Weltretter-Freitag

Es wird Zeit, meinen eigenen, heutigen ökologischen Fußabdruck zu überprüfen:
Heute früh war ein Schoko-Nikolaus im Schuh. Mit Kakao aus Südamerika. Eingewickelt in ALU-Folie. Oh je, Nikolausi, hoffentlich schwebt Dein Schlitten CO2-neutral über das Land.
Das Schoko-Ding muss ich heute noch schnell essen, damit niemand den Umweltfrevel bemerkt.
Zum Frühstück gab es leckeren Kaffee. Mittlerweile habe ich eine Kaffeepflanze im Büro, aber bis ich da ernten kann, muss ich noch lange auf Kaffeebohnen aus Übersee zurückgreifen. Die kommen wohl aus Bolivien. Immerhin, der Strom für das Aufheizen des Wassers kommt von der Solaranlage. Die bringt zwar im Winter nicht so viel, aber heute war es schon sehr früh sonnig, da hat es gereicht. Das ist besser als Atomstrom.

Eine halbe Stunde Training auf dem Hometrainer, made in Germany. Tolles Gerät, aber leider zu teuer, die Firma gibt es nicht mehr. Das Volk will lieber BILLIG. Zukünftig kommen auch solche Teile per Container aus Übersee. Da muss ich das Ding gut pflegen, damit es lange hält. Am besten ich benutze es nicht so oft, dann hält es länger 🙂

Unter der heißen Dusche muss ich daran denken, dass das Gas für die Heizung und das Warmwasser aus Russland kommt. Gut, dass die Russen nicht ganz so böse sind, wie die Politiker immer erzählen. Ohne russisches Gas wäre es kalt im Haus. Sollten wir vielleicht lieber wieder auf Öl umrüsten? Die armen Scheichs haben zur Zeit nichts zu lachen, alle Welt will weg vom Öl. Denkt niemand an diese armen reichen Menschen? Die Solarthermie-Anlage auf dem Dach bringt am frühen Morgen leider nichts.
Das Dusch-Wasser? Aus lokalen Quellen, vermischt mit Bodensee-Wasser. Aufwändig herangepumpt und gefiltert. Die Quellen sind mit Schadstoffen belastet, sauberes Wasser wird immer schwieriger in der Herstellung.
Meine Kleidung ist überwiegend Made in Germany, da achte ich in letzter Zeit drauf. Es ist aber nicht einfach, so etwas zu finden.
Heute ziehe ich lieber eine Jogginghose an. Eine große, deutsche Marke. Made in Bangladesch. Meine Filzpantoffel sind super bequem. Made in Germany. Immerhin.

Ich koche mir einen Tee für das Büro. Grüner Tee ist gesund, aber aus Japan. In der Küche stehen leckere Trauben aus Spanien. Da nehme ich mir ein paar.
Zum Büro schaffe ich es ohne Auto, das ist nur ein Stockwerk entfernt. Das schaffe ich zu Fuß. Ökologisch vorbildlich.
Ich starte meine Druckmaschinen, made in Japan, setze mich an meinem PC, made in China. Der Stuhl ist aus Italien. Leider ist das Leder nicht vegan. Nach bald 20 Jahren ist das Tier auch teilweise durchgesessen. Der Monitor ist aus Singapur. Die IBM-Tastatur Model M kommt aus England, die ist aus 1987, quasi unkaputtbar. Aber so etwas Nachhaltiges wird heute leider nicht mehr produziert. Das Handy ist von einem US-Hersteller, hergestellt in China.
Ich schalte das Webradio an. Der Livestream fließt über viele Server und Router, alle benötigen Strom. Vermutlich ist da auch ein wenig Atom- und Kohlestrom dabei. Kann man da noch ohne schlechtes Gewissen Radio hören?
Im Radio kommen die Stau-Nachrichten. Kilometerlang Auto an Auto. Bei den aktuellen Temperaturen arbeitet keine Abgasreinigung – zum Schutz der Motoren – also volle Pulle CO2, NOx, Feinstaub und der ganze Dreck. Meine Frau wollte nicht mit dem Fahrrad zur Arbeit, es sei ihr zu kalt dafür. Sie ist mit dem Elektroauto gefahren. Das darf man ja eigentlich gar nicht sagen, wir fahren einen Kona Elektro. Für das Lithium in der Batterie braucht man nach aktuellen Studien so viel Wasser, das hätte für die Herstellung eines leckeren 250g-Steaks gereicht. Allerdings sagt die Studie nicht, ob das eine Kuh aus dem Dorf ist, oder ob der Transport aus Argentinien bereits eingerechnet ist. Für Vegetarier wäre alternativ zum Steak auch 7 Avocados drin gewesen. Das Lithium hätte auch gereicht, um den Alu-Block in einem Diesel-SUV zu beschichten. Wieso wird diese Info in den Studien immer unterschlagen? Akkus sind böse. Auch die in Deinem Handy, Notebook, in Deinen Kopfhörer und die ganzen Batterien und Knopfzellen für allen möglichen Kram.
Immerhin ist der Fahrstrom vom eigenen Dach, deswegen muss in Afrika kein Fluss mit Öl verseucht werden, kein Meer wird verdreckt und in Kanada können sie meinetwegen den Ölschiefer im Boden lassen.

Zurück zu meiner Ökobilanz…
CO2-Neutralität wird schwer.
Von der Umweltsau zum Umweltengel ist ein weiter Weg. Aber statt schimpfen und demonstrieren, mache ich lieber etwas. Also ich versuche es zumindest. Die Erweiterung der Fotovoltaik-Anlage ist bestellt. Von April bis Oktober sind wir dann komplett Energie-Autark, Büro und Auto eingeschlossen. Im Winter wird es nicht einfach. Da müssen wir noch dran arbeiten.
Wenn ich dann mal herausgefunden habe, wie das alles geht, dann schreibe ich das in meinem Blog, damit andere sich das anschauen können. Versprochen 🙂

Der Server läuft übrigens 100% mit Ökostrom.