Akku 2.0 – Kapitel 9
Kapitel 9 – Umzug
Am Abend packte Jan alles zusammen, was er mitnehmen wollte. Er besaß nicht viel. Seine Habseligkeiten passten in einen kleinen Reisekoffer und in einen Rucksack. Ein paar Kleidungsstücke, Waschsachen, sein Handy und ein Tablet. 3 Bücher, die er für das Studium gekauft hatte, ließ er auf dem Tisch liegen und legte einen kleinen Zettel dazu. Vielleicht freute sich ja irgendjemand darüber. Alle anderen Bücher hatte er als eBook in digitaler Form.
Seine beiden Kommilitonen, die mit ihm die letzten 3 Jahre die WG bewohnt hatten, waren nicht da. Im Gegensatz zu ihm, hatten die beiden direkt nach dem Abschluss zu feiern angefangen und waren seither kaum noch in der gemeinsamen Unterkunft aufgetaucht. Jan überlegte, wie er sich verabschieden sollte. Dann schrieb er einfach einen weiteren Zettel mit einem kurzen Gruß und legte diesen ebenfalls auf den Tisch. Sie hatten ja Kontaktdaten ausgetauscht und sicher würde sich später noch ein Zeitpunkt finden lassen, um gemeinsam den Studienabschluss zu feiern und über die Zukunft zu plaudern.
Seine neue Adresse wollte er besser nicht dazuschreiben. Bei der Geheimniskrämerei des Professors musste niemand wissen, dass er jetzt dort wohnte. Außerdem war ihm der Gedanke zu peinlich, dass die beiden dort auftauchen und in der Villa versuchen könnten, eine Party zu starten. Nein, das wollte er auf keinen Fall. Handynummer und eMail-Adresse schien im ausreichend, denn auch während des Studiums hatten sie wenig Gemeinsamkeiten.
Jan war der fleißige Streber, immer bemüht, das Beste aus Allem herauszuholen, die anderen beiden feierten lieber und hangelten sich von Prüfung zu Prüfung. Der Abschied von der WG-Wohnung fiel ihm nicht schwer. Zum Monatsende hätte er sowieso ausziehen müssen. Er legte seinen Schlüssel zu den Zetteln auf den Tisch. Dann verließ er den Raum und zog die Tür zu, ohne sich noch einmal umzudrehen. Jetzt würde ein neues Kapitel in seinem Leben beginnen.
Eine halbe Stunde später stieg Jan vor der Villa aus einem Taxi. Das letzte Mal war er mit öffentlichen Verkehrsmitteln gefahren. Das hatte aber über eine Stunde gedauert, außerdem hatte er dieses Mal Koffer und Rucksack dabei. Er verspürte den Drang, möglichst schnell an seinem neuen Zuhause anzukommen. Die Kosten für diese Taxifahrt waren der erste Luxus, den sich Jan in den letzten 3 Jahren geleistet hatte. Aber das war es ihm wert.
So stand Jan dann wie ausgemacht, mit Koffer und Rucksack, vor der Villa. Er sah dem Taxi hinterher, wie es den großen Hof vor dem ehemaligen Hotel verließ und stellte sich vor, wie lebhaft es hier wohl zugegangen war, als die Luxusherberge noch in Betrieb war. Jetzt war alles still, nur ein paar Vögel zwitscherten und der Wind raschelte in den Blättern der Bäume. Die Natur hatte bereits angefangen, den einst prachtvollen Vorplatz zu überwuchern. Jan lächelte bei dem Gedanken, dass nichts Menschengemachtes für die Ewigkeit ist. Als das Taxi verschwunden war, drehte er sich um, und drückte auf die Klingel.
Einen Augenblick später öffnete ihm Maria. Sie freute sich, Jan zu sehen. Er folgte ihr zu einem Zimmer, das sie für ihn vorbereitet hatte. Der Raum war noch viel größer als das Zimmer, in dem er am Vortag übernachtet hatte. Die Haushälterin wollte ihm seinen Koffer abnehmen, um seine Kleider in den riesigen begehbaren Kleiderschrank einzuräumen, doch Jan lehnte dankbar ab. Er war überwältigt vom Anblick des Zimmers, das viel größer war als seine WG und locker als komplette Wohnung durchgehen könnte. Maria ging zur Tür und erklärte ihm im Gehen, dass er sich gerne etwas frisch machen könne und dann in einer halben Stunde zum Abendessen in den Speisesaal kommen sollte.
Jan dankte ihr und lief staunend durch sein neues Zuhause. Ihm fiel ein, dass sie noch gar nicht über die Miete für diese luxuriöse Unterbringung gesprochen hatten. Er war sich nicht sicher, ob er sich das überhaupt leisten konnte. Das angebliche Zimmer war eine Suite aus mehreren Zimmern, mit Bad, Küche und sicher über 100 Quadratmetern Fläche. Dazu noch die Dienste einer Haushälterin? Er musste den Professor dringend darauf ansprechen.
Zuerst aber packte Jan seinen kleinen Koffer aus und verstaute seine Kleidung im Schrank. Das sah witzig aus. Der begehbare Schrank war größer als das Zimmer in seiner bisherigen WG und seine Kleider lagen verloren auf einem riesigen Regal. Jan überlegte, wer wohl hier schon alles gewohnt hatte und welche Geschichten diese Suite erlebt haben könnte.
Er ging ins Bad, stand kurz unter die Dusche, dann zog er frische Kleidung an und machte sich auf den Weg zum Abendessen.
Als Jan im Esszimmer eintraf war er überrascht, dass außer Suzan und dem Professor sonst niemand anwesend war. Die beiden saßen ziemlich verloren an einem großen Tisch in diesem riesigen Speisesaal. „Wo sind denn die anderen?“, fragte er erstaunt.
„Hallo Jan“, der Professor schaute ihn freundlich an, „es gibt keine anderen. Für mein Projekt benötige ich kein Team, nur einen Assistenten. Noch ist es Zeit für Dich, abzuspringen. Das Zimmer und Dein Arbeitsplatz im Institut stehen Dir dann natürlich trotzdem weiter zur Verfügung. Aber wenn Du für das Projekt zusagst, dann gibt es kein Zurück mehr. Dann bist Du dabei, inklusive aller Konsequenzen!“
„Ich möchte nichts Illegales machen“, erwiderte Jan unsicher. Erich lachte „Die Menschheit zu retten ist garantiert nicht illegal und wir machen auch nichts Verbotenes. Allerdings ist das Projekt dermaßen revolutionär, dass wir trotzdem mit Allem rechnen müssen. Geheimdienste, ein Leben im Untergrund, das wird alles wie in einem Film. Bist Du dabei?“
Suzan und Erich sahen Jan fragend an. Dieser zuckte mit den Schultern, überlegte noch einmal kurz, dann sagte er „Ach was solls, ich bin dabei. Das wird bestimmt spannend und deswegen bin ich ja auch hergekommen“. Suzan klatschte begeistert in die Hände und Erich reichte ihm die Hand „Herzlichen Glückwunsch und willkommen im Team. Aber jetzt setz Dich erst mal, Du hast bestimmt Hunger.“
Jan spürte plötzlich, wie Recht der Professor hatte, sein Magen knurrte. Sein Mittagessen war heute spärlich ausgefallen und das Frühstück lag schon recht lange zurück. Maria trug ein leckeres Abendessen auf. Das war um Welten besser, als alles, was er sich die letzten Monate immer abends selbst zubereitet hatte. Während des Essens schossen Jan viele Fragen durch den Kopf, es gab so viele Dinge, die er gerne wissen wollte. Er nahm sich noch ein Stück von diesem leckeren Braten, dann wandte er sich an Erich. „Darf ich fragen, warum Ihr mich ausgewählt habt, und nicht die anderen? Die arbeiten doch schon viel länger mit Euch zusammen?“
Erich lächelte. „Das ist leicht zu erklären. Ich brauche jemand, dem ich vertrauen kann und bei dem ich sicher bin, dass er beim Projekt dabei bleibt, auch wenn es Schwierigkeiten gibt.“
„Du vertraust Deinem Team nicht? Die kennst Du doch schon viel länger, als mich.“ Jan schaute den Professor fragend an. Hatte er sich geirrt und hier war nur ein naiver kleiner Assistent gesucht, den man im Zweifel schnell und einfach wieder loswurde? War die Freundlich von Suzan nur gespielt?
Eric atmete tief, dann antwortete er „Die Frage ist durchaus berechtigt. Aber ich kann Dich beruhigen.Gehen wir doch die einzelnen Mitglieder des Teams durch:
Nun ja, Franco Gelati ist super intelligent, aber ein wenig durchgeknallt und schwer einzuordnen. Für meine Zwecke ist er viel zu zappelig.
Uwe Anderson ist ein Patriot, allerdings ein amerikanischer Patriot. Ich vertraue ihm nicht wirklich, da ich weiß, dass er alle unsere Forschungsergebnisse mit der NSA teilt. Das ist nicht wirklich schlimm, es wird ja sowieso alles veröffentlicht. Aber er macht das heimlich und denkt, ich bemerke es nicht. Bei diesem Projekt brauche ich aber absolutes Vertrauen und die NSA ist die letzte Einrichtung, der ich vertrauen würde.
Patrick Müller, der hat Familie. Da ist es schwierig und gefährlich, ihn einzuweihen. Unser Projekt wird sicher einige Ortswechsel mit sich bringen, das kann ich ihm nicht zumuten. Eine Familie birgt immer auch das Risiko der Erpressbarkeit in sich.
Andrea Witte und Rainer Klostermann sind zu bekannt. Das sind anerkannte Spitzenkräfte, die selbst oft in der Öffentlichkeit stehen. Die arbeiten schon so lange mit mir zusammen. Es würde auffallen, wenn ich die in ein Geheimprojekt hineinziehen würde. Die können nicht einfach von heute auf morgen den Ort wechseln. Ich bin mir auch ziemlich sicher, dass die beiden von Uwe Anderson und seinen NSA-Kollegen genau beobachtet werden. Uwe weiß, dass ich denen mehr vertraue als ihm. Er versucht immer, herauszufinden, ob es irgendetwas gibt, das sie wissen, aber er nicht.“
Jan unterbrach ihn irritiert: „Aber wenn der Leiter des Teams einfach so das Institut verlassen müsste, das wäre nicht auffallend?“
Eric nickte: „Da hast Du recht, aber es gibt genug Möglichkeiten, um so einen Abgang glaubhaft zu machen. Seien es Differenzen mit Auftraggebern, vielleicht könnte ich mich ja auch darauf berufen, unzufrieden zu sein. Einzelne Personen sind viel flexibler, als ein ganzes Team. Aber lass uns weiter über die Gruppe reden. Wir waren bei Andrea und Rainer. Die Beiden scheiden aus den genannten Gründen aus.
Tatjana Sonjakova hat leider nur einen russischen Pass. Das schränkt ihre Bewegungsfreiheit zu sehr ein. Außerdem steht sie mit dieser Staatsbürgerschaft ebenfalls unter scharfer Beobachtung diverser Geheimdienste. Die würden sofort merken, wenn Tatjana öfter mit mir zu tun hätte, als die anderen Kollegen.
Ich brauche einen Assistenten, den noch niemand kennt, der unverbraucht ist, der nicht überwacht wird. Und falls Du verschwindest, dann kann ich ja sagen, Du warst einfach nicht gut genug.“
Jan lächelte gequält und schluckte „werden wir denn wirklich überwacht?“ Erich lachte „Das kann man nie so genau wissen. Dass Uwe Anderson ein Spitzel der NSA ist, das ist sicher. Es sind auch schon seltsame Dinge passiert. Datenträger sind verschwunden. Computer, die wir abends ausgeschaltet hatten, waren am nächsten Morgen wieder an. Arbeitsutensilien lagen an anderen Orten, als wir sie abgelegt hatten. Alles deutet darauf hin, dass irgendwer spioniert. Unser Forschungsprojekt ist der Schlüssel zur Zukunft, da schauen viele Menschen ganz genau hin und ich meine jetzt nicht unser Geheimprojekt, sondern die Forschung am Institut.“