Elektroauto-Langstrecke Teil2

Die Rückfahrt – 730km mit dem Elektroauto

Elektroauto-Langstrecke Teil2

Wenn man in den Urlaub fährt, muss man meistens auch irgendwann wieder zurück. So war dann auch bei uns der Urlaub nach ein paar schönen Tagen wieder zuende.
Im Gegensatz zur Hinfahrt, die wir mit einem Zwischenstopp in Hamburg in 2 Etappen gefahren sind, sollte es dieses Mal direkt von der Ostseeküste bis an die Haustüre gehen. Laut Navi 730 Kilometer.
Wir wollten um 7 Uhr losfahren, um dem täglichen Stau um Hamburg zu entgehen, aber irgendwie sind wir alle früher aufgewacht. Somit ging es dann bereits vor 6 Uhr los.
Angedacht waren 3 Ladestopps mit jeweils knapp 200 – 250km dazwischen.
Das passt auch ganz gut zu den Pinkelpausen, denn irgendwer muss nach 2-3 Stunden meistens auch aufs WC.

Elektroauto-Langstrecke Teil2

Mit 437km Reichweite ging es los. Wir hatten das Auto bei Ankunft an der Ferienwohnung voll geladen, waren dann aber 3x kleinere Strecken gefahren. Mit der geplanten Ladestrategie sollte der Akku locker ausreichen.

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Der erste Stopp war an der Raststätte Lüneburger Heide West geplant.
Nicht, weil wir bereits eine Pause nötig hätten, sondern weil die Raststätten mit den bevorzugten Ladesäulen etwas ungünstig auseinander lagen. Da wir bis 31.8. noch bei Ionity günstig laden konnten, die Säulen bis zu 75kW in unseren Kona pumpen können und dort auch immer gleich 4 statt nur einer Säule vorhanden sind, habe ich für die Rückfahrt nur Stopps an solchen Säulen eingeplant.

Nach gemütlicher Fahrt kamen wir nach 157 km und 1:36h dort an. Verbrauch 20.2 kWh. Die Strecke war frei und die Fahrt etwas flotter. Entsprechend lag auch der Verbrauch etwas höher.

Die Ladesäulen lagen direkt am Eingang zur Raststätte. Es war zwar nichts los, aber da anscheinend viele Menschen Schilder nicht verstehen oder schlicht ignorieren, war die einzige ENBW-Ladesäule zugeparkt. Der Parkplatz war einfach zu nah am Eingang. Das betrifft, wie man auf dem Foto oben sieht, allerdings auch die Behindertenparkplätze. Ohne Ausweis an der Scheibe besteht dort eigentlich Parkverbot. Vielleicht hatte der Fahrer Durchfall und konnte nicht anders? Wir werden es nie erfahren.
Der Ladesäulen-Blockierer (links am Rand) war ein Hybridfahrzeug. Vielleicht sollte man den Menschen bei Kauf erklären, dass sie nicht verpflichtet sind, auf den Parkplätzen mit Steckersymbol zu parken, nur weil ihr Auto eine Steckdose hat. Parken kann man auch mit diesen Fahrzeugen auf den ganz normalen Stellplätzen. Um zu Laden sollte man allerdings das Auto einstecken, drahtlos laden geht noch nicht.
Das ist eben der Nachteil: Ist man auf die Ladesäule angewiesen und diese ist defekt, belegt oder blockiert, dann hat man ein Problem. Pro Ladeplatz müssen mehrere Ladepunkte verfügbar sein, sonst gibt es viel Ärger.

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Für uns standen aber auf der gegenüberliegenden Seite 4 Ionity-Säulen zur Verfügung.
Mit der App von Maingau Energy haben wir für 39cent pro kWh geladen, in der Spitze wurden bis 75kW in unseren Kona gepumpt.
Leider bekam ich mitten im Urlaub eine Mail, dass die Tarife für Ionity auch über das Maingau-Roaming zukünftig um die 80cent pro kWh kosten würden.
Ein Liter Sprit beinhaltet ungefähr 10kWh Energie. Das wären also pro Liter an der Zapfsäule schlappe 8,- Euro. Auch wenn Elektroautos viel effizienter sind als Verbrenner – So schafft man die Mobilitätswende nicht. Da werden wohl noch einige Fahrer über ihre Abrechnungen staunen. Glücklicherweise laden wir, abgesehen von Urlaubsfahrten, immer nur zu Hause.

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Die Ladepause haben wir dann wegen eines Wolkenbruchs unfreiwillig etwas verlängert. Immerhin gab es ein leckeres Frühstück im Auto. Während unser Auto weiter geladen wurde, saßen wir im Trockenen und haben uns selbst ebenfalls Energie zugeführt. Dabei wurde ein weiterer Kritikpunkt an der aktuellen Infrastruktur deutlich:
Während alle Tankstellen überdacht sind, stehen die meisten Ladesäulen im Freien. Man ist also bei jedem Wetter, egal ob Regen, Hagel oder Schnee, beim Laden den Launen der Natur ausgesetzt.
Vermutlich wurden die Säulen nach diesem Muster geplant und gebaut:
Die Ladesäulen sind gefördert und wer zuerst kommt, besetzt den besten Platz. Daher werden gerne ein paar solcher Teile gebaut. Aber nur so viele, um die staatliche Förderung optimal auszunutzen. Für ein anständiges Dach reicht es dann aber offensichtlich nicht.

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Nach dem kurzen Wolkenbruch ging es frisch gestärkt weiter auf die Autobahn. Da die Strecke aus extrem vielen Baustellen besteht und am frühen Samstagmorgen der Verkehr langsam stärker wurde, sank die Durchschnittsgeschwindigkeit. Dafür sank aber auch der Verbrauch auf jetzt nur noch 17,6kWh/100km (bezogen auf die Gesamtstrecke).
Nach 4:09 Stunden kamen wir am Autohof Staufenberg an.
Auch dort standen wieder 4 Ionity-Ladesäulen.
Die erste war von einem anderen Kona belegt. Ich fuhr eine Säule an, steckte das Auto an und startete den Ladevorgang: Ladevorgang gestartet – Ladevorgang beendet.
Offensichtlich ein Fehler, ich wiederholte alles: Ladevorgang gestartet – Ladevorgang beendet.
Das Spiel ging so noch 2x weiter. Da nebenan ein anderer Kona lud, sollte das eigentlich prinzipiell funktionieren. Also eine Säule weiter rangiert, eingesteckt, Ladevorgang gestartet und – lädt!
Offensichtlich wieder eine defekte Säule – nach den 2 defekten auf dem Hinweg sind das jetzt schon 3 defekte Ladesäulen. Auf die Gesamtstrecke gesehen war damit am Ende jede 2. angesteuerte Ladesäule kaputt. Traurig!

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Wie auf dem Foto zu sehen ist, ist hier hier bereits Reserve für 2 weitere Ladesäulen vorhanden (links die 2 Parkplätze sind bereits reserviert, aber ohne Säule, nur mit einem vorbereiteten Sockel).
Da kurz nach uns noch ein Audi eTron zum Laden kam, waren die 4 Ionity-Säulen damit belegt.
3 mit Fahrzeugen zum Laden und eine defekt.

Um zu sehen, wie so etwas eigentlich korrekt aussehen sollte, muss man sich nur umdrehen. Direkt hinter den 4 Ladesäulen „für alle anderen e-Fahrzeuge“ standen die Tesla Supercharger.

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16 Säulen bieten hier 16 Tesla-Fahrzeugen Platz zum Laden.
Nochmal: 16 Ladepunkte für Tesla, daneben 4 Ladepunkte für alle anderen e-Fahrzeuge, von denen eine auch noch defekt ist. Und Tesla könnte auch an den Ionity-Ladern den Akku füllen.

Wer viel Langstrecke fährt und diese elektrisch zurücklegen will, der kommt derzeit kaum an einem Tesla vorbei. Einfach, weil hier die Ladeinfrastruktur um Welten besser ist.
Zudem könnte ein Tesla auch noch an den anderen Ladesäulen laden, während ein Kona, eTron oder VW id.3 nicht an einer Tesla-Ladesäule laden kann.
(Für unsere Zwecke ist der Kona trotzdem besser geeignet, aber hier sollte die deutsche Politik und Industrie mal schauen, wie man so etwas richtig macht.)
Im ENBW-Hypernetz (so schallt es Anfang September laufend aus dem Radio) 4 (alleinstehende) Ladesäulen angesteuert, 2 defekt, eine zugeparkt.
Bei 4 Ionity-Ladestationen eine defekte Säule.

Für uns kein Problem, aber wir gehören ja (noch) zu den wenigen Verrückten, die mit einem Elektroauto Langstrecke fahren und dazu keinen Tesla nutzen. Für die Massenmobilität mit id.3, Kona, eTron und wie die Autos alle heißen, die bald auf den Markt kommen sollen, sind noch deutlich zu wenig Lademöglichkeiten an der Autobahn vorhanden.
Da muss noch mächtig nachgebessert werden!

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Als Vater und Sohn noch kurz von den Ladesäulen in Richtung Raststätte unterwegs waren, um die Blase zu leeren, meinte der Junior plötzlich „Puh, hier stinkt es aber!“

Und tatsächlich, es lag ein auffallend giftiger Gestank in der Luft. Ein Gemisch aus Benzin, Diesel und Schmierstoffen waberte durch die Luft. Von den Verbrennerfahrern schien das aber niemanden zu stören.
Dieser Gestank ist auch in Städten oft deutlich zu riechen. Nicht nur an Tankstellen, auch an Kreuzungen oder manchmal reicht auch schon ein einziges vorbeifahrendes Auto.
Das kann nicht gesund sein.
Wir waren froh, als wir dort wieder weg waren.
Elektroautos stinken zum Glück nicht!

Weiter ging es zur 3. und letzten Raststätte:
Ob der Tauber West, 4x Ionity CCS + 1x Innogy (nicht Ionity!). Dort wollten wir noch einmal laden.
Insgesamt wären wir auch mit 2 Ladestops ausgekommen, aber man sollte sowieso öfter mal Pause machen und so war die Fahrt sehr entspannt. Gefahren wurde meistens gemütlich mit Tempo 130, bei den vielen Baustellen ging es aber oft auch deutlich langsamer vorwärts.
Nach insgesamt 6:08h Fahrzeit und gefahrenen 589km kamen wir am letzten Zwischenhalt unserer Reise an.

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Dort stand eine Innogy Ladesäule ganz alleine und wartete auf Kundschaft. Graffittiverschmiert und nicht besonders einladend. Wir erinnern uns an die Fotos der Tesla Ladesäulen? Die dauernd angepriesene deutsche Technologieführerschaft kann das hier nicht sein. Direkt daneben standen 4 Ionity Ladesäulen, die ja noch bis 31.8. günstig nutzbar waren.

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Dort stand bereits ein VW id.3. Der erste, den ich in freier Wildbahn bisher gesehen habe. Ab September sollen die Fahrzeuge ausgeliefert werden. Das Auto sieht schick aus.
Direkt daneben ein Audi SQ7. Die Ladesäulen standen weit entfernt von der Raststätte, die meisten Parkplätze waren leer. Der Fahrer musste vielleicht zwangsweise diesen Schlitten mit 4 Auspuffrohren fahren, obwohl er eigentlich von einem Tesla träumte und übt das Parken an der Ladesäule.
Oder war es ein Prototyp, der drahtlos laden konnte? Die Auspuffs (schreibt man das so?) nur Tarnung?
Einen anderen Grund kann man sich schwer vorstellen: deutlich sichtbare Ladesäulen, eindeutige Beschilderung und der Verbrenner parkt absichtlich weit entfernt von der Raststätte auf einer Elektrotankstelle?
Vielleicht wollte er auch einfach nur „die doofen Ladesäulen blockieren“, nur leider war „sein Ding“ dafür zu klein, es hat nur für eine Säule gereicht. Nebenan waren noch 2 Plätze frei. Einer davon für uns. Mit bis zu 75kW wurde wieder Energie in den Akku gepumpt. Ein kurzes Aufladen für die letzte Etappe.

Elektroauto-Langstrecke Teil2

Auf diesem Foto sieht man sehr schön 2 Dinge:
1. Die Raststätte ist ganz weit weg (auf dem Foto hinter dem Lieferwagen), der Parkplatz ist fast leer, warum parkt dann dieser Audi SQ7 die Ladesäule zu?

2. auf der Ladesäule ist ein Aufkleber „gefördert durch…“, die Säule wurde also teilweise mit Steuergeldern finanziert.
Trotzdem scheint der Betreiber 79cent pro kWh zu benötigen, damit sich das System rechnet. ENBW schafft das bisher mit fairen 39cent pro kWh, allerdings ist deren Netz auf dieser Strecke (Stuttgart – Hamburg) leider noch sehr schlecht ausgebaut. Auf anderen Strecken sieht es allerdings besser aus.

Da muss dringend eine politische Lösung her. Aber die reGIERung hat schon ganz andere Projekte sauber in den Sand gesetzt, daher sollte man hier nicht zu viel erwarten. Allein, was man mit den verplemperten Millionen des geplatzen Mautprojekts an Ladesäulen hätte bauen können, da wäre man wohl schon auf Tesla-Level oder dran vorbei.

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Die letzte Etappe war ziemlich easy. Die Sitze des Hyundai Kona waren auch nach über 700km Fahrt noch erstaunlich bequem. Aus früheren Fahrzeugen bin ich nach längeren Fahrten immer sehr ermüdet und mit schmerzenden Gelenken ausgestiegen. Nicht so im Kona, alles frisch und fitt.
Da die Heimat nahte, ging es außerhalb der Baustellen mit Tempo 180 auf die Strecke, genauer gesagt 178km/h, denn da regelt das Auto konsequent ab. Schneller geht nicht. Muss aber auch nicht sein. Der Verbrauch dabei lag bei Werten um 22kW/h pro 100km.
Auf der überwiegenden Strecke ging es aber mit gemütlichem Tempo 130 voran, oft auch nur Tempo 80, wenn mal wieder irgendwo gebaut wurde. Zurück in der Heimat BW dann ein Gefühl, wie damals in der DDR. Zuerst war ich erschrocken und dachte an einen geplatzten Reifen oder ein defektes Fahrwerk, aber es war die Autobahn.
Die A81 steckt irgendwie im Sanierungsstau.

Zuhause angekommen sind wir mit 75km Restreichweite.
730,8km in 7:34h ist eine gute Zeit.
Dabei werden aber NICHT die Pausen mitgerechnet, die lagen bei ungefähr 1:30h. Davon hätten wir aber mindestens 1 Stunde auch mit einem Verbrenner Pause gemacht. Insofern ist der Mehrbedarf an Zeit für ein Elektroauto selbst auf Langstrecke vernachlässigbar. Für die Vertreter, die mit Tempo 200 1000km ohne Pause über die Autobahn jagen, gilt diese Aussage natürlich nicht.

Der Hyundai Kona ist nach dieser Erfahrung auf dieser Strecke auf jeden Fall langstreckentauglich.
Allerdings sollte man Ladepunkte besser vorher aussuchen, Reserven einplanen und ein bisschen Pionier muss man auch noch sein – oder Tesla fahren.
Aber der passt nicht zu unserem Alltag, da ist der Hyundai Kona für uns viel besser geeignet.

Das Elektro-Auto kann uneingeschränkt Langstrecke.
Insgesamt haben wir 1500km zurückgelegt.
Das Fahrgefühl ist prima, viel besser, als in einem Verbrenner.
Die Angst, liegen zu bleiben, war unbegründet, auch wenn die Ladesäulen teilweise etwas zickig waren. Man kam problemlos ans Ziel und die Ladezeit war vernachlässigbar, da man auch mit einem Verbrenner regelmäßig Pausen machen sollte.

Die Ladeinfrastruktur ist allerdings stark ausbaufähig. Denn wenn die Ladesäulen so vereinzelt herumstehen und bei 6 Ladestopps 3 Ladesäulen defekt sind, dann zeigt das, dass weder Politik noch Betreiber derzeit wirklich Interesse an eMobilität haben.
Oder kennt irgendwer eine Tankstelle mit nur einer Zapfsäule, die auch noch defekt ist? Oder zugeparkt?

Der Umstieg muss in den Köpfen zuerst stattfinden.

Als Fahrer kann ich allerdings berichten, dass noch keine Reise zuvor so entspannt war.
Die Ruhe ohne Motorgebrumm, die souveräne Kraftentfaltung des Kona, das Dahingleiten, das ist ein ganz anderes Fahren, Verbrenner sind dagegen einfach nur alt.

Elektrisch ist einfach das bessere Fahren – nur bei der Infrastruktur fehlt es noch etwas.
Aber das war ja damals, bei der ersten Fahrt von Bertha Benz auch nicht anders. Zuerst verlacht und später wollte dann doch niemand mehr Pferdekutsche fahren.

Vielen Dank fürs Lesen 🙂

Btw.: alles was oben steht ist rein subjektiv und nur mein private Meinung.


Elektroauto-Langstrecke Teil2

Lesetipp:
Meine neue Geschichte:

Akku 2.0 – Energie für die Menschheit.
Ein Umwelt-Krimi

Der junge Chemiker Jan Meier bekommt nach seinem Studium eine Anstellung im Batterie-Forschungs-Institut von Professor Schmidt. Dort lernt er Suzan kennen und verliebt sich in sie.
Professor Schmidt weiht Jan in ein Geheimnis ein:
Er hat eine neue Akkutechnik erfunden, die eine hundertfach höhere Kapazität hat, als herkömmliche Systeme.
Suzan, Jan und der Professor forschen tagsüber im Institut und nachts im geheimen Labor.
Nachdem Mitarbeiter des Instituts ums Leben kommen, müssen sie erkennen, dass irgend jemand hinter ihrem Geheimnis her ist.
Als dann auch noch der Professor verschwindet und die Polizei vor der Tür steht, beginnt für Suzan und Jan eine halsbrecherische Flucht. Nur eine Person kann ihnen jetzt noch helfen – Suzans Mutter. Die lebt allerdings am anderen Ende der Welt.